Kautionsversicherung & Bürgschaften: Was heißt in diesem Zusammenhang eigentlich Schaden?

Die xIng.Consulting ist Kooperationspartner der HFB Creditversicherungsmakler GmbH im Bereich Schadenklärung Bürgschaften. Herr Christian Soring beschreibt in seinem Gastbeitrag welche Merkmale erfüllt sein müssen, um einem Bürgen einen eingetretenen Schaden in der Kautionsversicherung nachweisen zu können, welche Kosten aus der Bürgschaft ersatzfähig sind und welche Maßnahmen der Bürgschaftsbegünstigte im Schadenfall unternehmen sollte.

Baustelle Handwerker Kautionsversicherng Bürgschaften

Wir hatten kürzlich das erste Mal mit einer Insolvenz zu tun.
Unser Nachunternehmer hatte Insolvenzantrag gestellt und da standen wir nun,
ohne Vertragspartner, aber mit etlichen offenen Restarbeiten
“.

So ging es in den vergangenen Jahren tendenziell immer weniger Auftraggebern und Hauptunternehmern, dank boomender Baukonjunktur. Aber im Zuge des durch die Corona-Pandemie erwarteten Abschwungs, der nun zunehmend auch für die Bauwirtschaft befürchtet wird, wird die Zahl derer, die diese Erfahrung machen, wohl leider steigen.

Wohl denen, die von ihrem in der Regel vereinbarten vertraglichen Wahlrecht hinsichtlich der Stellung einer Sicherheit Gebrauch machen und über eine Bürgschaft als Sicherheit verfügen. Doch für viele beginnt jetzt erst ein für sie neues Abenteuer mit offenem, und allzu oft unerwartetem Ausgang.

Warum überhaupt Sicherheiten?

Vorab einige grundsätzliche Dinge, die man im Zusammenhang mit Sicherheiten respektive Bürgschaften wissen sollte.

Zwischen Vertragsparteien wird die wechselseitige Aushändigung von Sicherheiten vereinbart, da die beiden Ereignisse des via Vertrag vereinbarten „Tauschhandels“ zeitlich auseinanderfallen. Beispiel: heute Elbphilharmonie gekauft, aber erst 10 Jahre später übergeben und bezahlt.

In dieser Zeit kann viel passieren, zum Beispiel die Insolvenz eines Vertragspartners. Fällt der Auftragnehmer in Insolvenz, kommt es zu einem Leistungsausfall für den Auftraggeber, fällt indes der Auftraggeber in Insolvenz, kommt es zu einem Forderungsausfall für den Auftragnehmer. Diese Risiken werden durch wechselseitige Stellung von Sicherheiten verringert.

Eine Sicherheit kann z.B. ein Bareinbehalt sein, verbreitet ist jedoch die Ablösung solcher Einbehalte durch Bürgschaften. Dabei verbürgt sich der gewerbliche Bürge, eine Bank oder ein Kreditversicherer, im Schadenfall stellvertretend für die ausgefallene Partei einzustehen. Für die Dauer der Risikotragung erhält der Bürge eine finanzielle Entschädigung, z.B. in Form einer Avalprämie (Kreditversicherer).

Wie Sie bemerkt haben, ist soeben der Begriff Schaden gefallen. Schaden steht also offenkundig im Zusammenhang mit einer nicht planmäßigen Abwicklung eines Vertrages, im obigen Beispiel gestört durch eine Insolvenz.

Ein fiktives Beispiel

Der Auftraggeber hatte sich nach Vertragsschluss zur Absicherung des Erfüllungsrisikos (durch eine Insolvenz bedingter Leistungsausfall) eine Vertragserfüllungsbürgschaft aushändigen lassen. Die Ausfertigung dieser Bürgschaft hatte der Auftragnehmer bei seinem Kreditversicherer beantragt.

Während der Bauausführung fällt der Bauunternehmer in Insolvenz und der Auftraggeber entschließt sich, die ihm vorliegende Sicherheit zu verwerten, indem er den Bürgen in Anspruch nimmt.

An diesem Punkt muss zunächst deutlich gemacht werden, dass der Bürge praktisch keinerlei Kenntnisse von der betroffenen Baumaßnahme und dem Status Quo zum Zeitpunkt der Insolvenz und der in der Regel zeitnah erfolgenden Kündigung hat. Bei größeren Vorhaben ist bestenfalls der verbürgte Vertrag hinterlegt, für das Gros jedoch gilt: erst Bürgschaftsausfertigung, dann Bürgschaftsrückgabe,; keine Probleme, kein Grund für unnötige Unterlagen.

Deshalb muss der Bürgschaftsbegünstigte bei einer Bürgschaftsinanspruchnahme den gesamten Vorgang umfassend darlegen. Mit der Vorlage verschiedener Unterlagen wird der Bürgen überhaupt erst in die Lage versetzt, die geltend gemachten Ansprüche prüfen zu können.

Dem Prüfer über die Schulter geschaut

Die immer wieder vorweglaufenden Diskussionen bei der Inanspruchnahme von Bürgschaften – angestiftet nicht nur von juristischen Laien – über die vorzulegenden Unterlagen und über ohne weitere Nachweise zu leistende Zahlungen kosten unnötig Zeit und Mühe. Verwenden Sie diese Zeit besser für die Aufbereitung und schaffen Sie „Prüfers Liebling“.

Manche Hauptunternehmer, die schon mehrfach mit der Insolvenz eines Nachunternehmers konfrontiert waren, haben bereits gut funktionierende Prozesse für die Inanspruchnahme von Bürgschaften aufgesetzt. Für das Gros der Bürgschaftsbegünstigten, KMUs und Private hingegen ist die Insolvenz eines Vertragspartners meist ein singuläres Ereignis. Entsprechend ineffizient erfolgt dann leider häufig auch die Bürgschaftsinanspruchnahme.

Holen Sie den Bürgen ab

Warum nicht mit einem Foto anfangen? Ein Lageplan, Grundrissplan, Visualisierung der Örtlichkeit? All das kann helfen, dass der Bürge sich erst einmal orientieren kann. Dann den Vertrag heranziehen: was ist vertraglich geschuldet? Also, dem Bürgen anhand des Vertrages aufzeigen, welches Gewerk, welcher Bauabschnitt, welches Baulos geschuldet ist, hilft abzugrenzen von möglicherweise anderen Leistungen, die von anderen Bürgen verbürgt sind.

Eine Insolvenz und zeitnahe Vertragskündigung führen immer zu zweierlei: einer erbrachten und einer nicht erbrachten Leistung. Hier gilt es sauber und nachvollziehbar abzugrenzen. Bei großen Vorhaben und Millionen schweren Bürgschaften sollte eine Beweissicherung mittels 360° Photo Capture erwogen werden. Geht es um viel Geld, steigt nämlich auch das Risiko für eine streitige Auseinandersetzung zwischen Bürgschaftsbegünstigtem und Bürgen. Dann ist Beweis Trumpf.

Nicht erbrachte Leistungen, auch offene Restfertigstellungsleistungen genannt, sind eine der Hauptquellen für einen Schaden. Die vom insolventen Auftragnehmer nicht erbrachte Leistung muss von einem Drittunternehmer erbracht werden. Allein schon unter Zugrundelegung eines Preisspiegels wird rasch deutlich, dass das Ganze wohl nicht günstiger wird: der Zweitplazierte war ja nicht ohne Grund nur Zweiter. Es entstehen also Mehrkosten.

Neben diesen reine Ersatzvornahme bedingten Mehrkosten gibt es häufig aber auch noch eine Reihe von anderen Forderungen. Die kennt dann aber ihr Rechtsbeistand.

Und Schaden ist was?

Ein Schaden liegt dann vor, wenn die nachgewiesenen Zahlungen an den (zwischenzeitlich insolventen) Auftragnehmer zuzüglich der nachgewiesenen Zahlungen an Ersatzvornahme leistende Drittunternehmer (die natürlich lediglich die vertraglich geschuldete Restleistung und nicht etwa auch gleich noch ein paar nette Upgrades mit ausführen) sowie weitere, berechtigte und nachgewiesene Forderungen die Höhe der fiktiven Schlussrechnungssumme des (zwischenzeitlich insolventen) Auftragnehmers überschreiten.

Liegt beispielsweise eine Unterzahlung des Auftragnehmers vor und konnten die offenen Restfertigstellungsleistungen ohne nennenswerte Mehrkosten vergeben werden, dann ist durchaus eine schadenfreie Fertigstellung der vertraglich geschuldeten Leistung denkbar.

Die alleinige Tatsache, dass ein Auftragnehmer in Insolvenz gefallen ist, sollte den Auftraggeber bzw. Bürgschaftsbegünstigten nicht zu der pauschalen Annahme verleiten, nun sei der volle Bürgschaftsbetrag zur Auszahlung fällig. Die Zeiten sind nahezu passé.

Fokussieren Sie sich auf eine klar strukturierte für einen unbeteiligten, aber fachlich versierten Dritten nachvollziehbare Darlegung ihrer Ansprüche und weisen Sie diese Ansprüche überprüfbar nach. Schwächen Sie ihre begründeten und berechtigten Ansprüche nicht durch heiße Luft. Nur ein konsistenter Vortrag ist ein starker Vortrag und bringt Sie schneller an Ihr Ziel: Ausgleich Ihres Schadens.

Sollten Sie Schwierigkeiten bei der Durchsetzung Ihrer Forderungen bei einem oder mehreren Bürgen, Banken und Kreditversicherern, haben, fragen Sie einen Ex-Prüfer.

Dieser Blogbeitrag wurde verfasst von

Dipl.-Ing. Christian Soring LinkedIn

18 Jahre Technischer Inhouse Schadenprüfer Surety Bond Claims, Euler Hermes, The world’s largest credit insurer

Inhaber von xIng. Consulting LinkedIn

Bond Claims – 360° Photo Capture – Claims Expert