Brexit 2021 – die Folgen für EU, Großbritannien und deutsche Unternehmen
und wie Geschäfte trotzdem sicher sein können
Redaktion |
Der Brexit ist schon Realität: Großbritannien ist am 31.01.2020 aus der EU ausgeschieden und am 31.12.2020 ist auch die im Austrittsabkommen festgelegte Übergangsphase vorbei. Danach ist das Vereinigte Königreich endgültig nicht mehr Teil der Zollunion und des Binnenmarkts. Sollten die Verhandlungen über die zukünftigen Handelsbeziehungen scheitern, gibt es keine Fristverlängerung mehr. In jedem Fall müssen sich nicht nur die EU und Großbritannien, sondern auch Unternehmen in Deutschland auf die voraussichtlichen Auswirkungen des Brexits vorbereiten.
Brexit Folgen: die aktuelle Lage
Die Corona-Pandemie hat in der Bevölkerung Großbritanniens dem Brexit als dominierende Alltagssorge den Rang abgelaufen. Und in Zukunft ist zu erwarten, dass Brexit-Befürworter negative wirtschaftliche Folgen nicht dem Austritt aus der EU, sondern der Pandemie zuweisen werden. Auch die Rechte der BürgerInnen beider Seiten sind trotz Brexit geschützt: EU-Bürger, die in der UK leben und Briten, die in der EU leben, dürfen weiterhin dort leben und arbeiten. Doch der Austritt wird vermutlich trotzdem negative Folgen auf Handelsbeziehungen und Wirtschaft haben, auf die man sich rechtzeitig einstellen sollte.
Bereits vor der Krise – seit dem Referendum 2016 – verlor das Vereinigte Königreich für Deutschland als Absatzmarkt an Stellenwert, deutsche Exporte sanken von 89 Milliarden Euro (2015) auf 79 Milliarden Euro (2019). Die Corona Krise und der unsichere Ausgang der Pandemie verstärkten diesen Trend, und die Weltwirtschaft erholt sich seitdem nur langsam. Zwar sind manche Branchen wie Nahrungsmittel und Pharmazie kaum betroffen, aber andere – insbesondere Covid-sensitive Sparten wie Tourismus und Freizeit – sind stark geschädigt. Das gilt auch für die Wirtschaft Großbritanniens, die dadurch bei den Austrittsverhandlungen einen Teil ihres Druckmittels verlor: als bedeutende Wirtschaftsmacht der EU im gleichen Ausmaß wie bisher zu schaden.
Großbritannien möchte ein Binnenhandelsabkommen, aber im Gegensatz zur EU verständlicherweise Regulierungsfreiheit und wenig Vorschriften. Auf beiden Seiten besteht jedoch ein Interesse sich rasch zu einigen, Bürokratie zu vermeiden und negative Folgen des Brexits möglichst gering zu halten.
Aber ob es zum no-deal oder geregelten Brexit kommt, es wird Auswirkungen auf Wirtschaft und Handelsbeziehungen geben.
Was ändert sich durch den Brexit für die EU?
Durch den Brexit verlor die EU auf einmal gut 66 Millionen Bürger. Was aber noch mehr ins Gewicht fällt, sind die erwarteten Auswirkungen auf Handelsbeziehungen. Und da waren sowohl Briten als auch die EU darauf bedacht, ihre Interessen zu vertreten – wodurch die Verhandlungen über Austrittsbedingungen so zäh gerieten.
Abgesehen vom Verlust des Beitrags des Vereinigten Königreichs zum EU-Budget, gibt es für die EU und ihre Mitgliedsstaaten weitere Nachteile, da der Austritt aus dem Binnenmarkt zu Handelshemmnissen führen wird. Wenn Großbritannien nicht mehr an bisher verbindlich geltende, gemeinsame europäische Umwelt- und Verbraucherschutzstandards gebunden ist, müssen neue Handelsbedingungen gelten – je nach Ausgang als privilegierter Partner, oder wie die zu einem Drittland.
An einem Beispiel zeigt sich, wieso der Brexit für alle Seiten (auch) negative Folgen haben wird. Ein Punkt bei den Austrittsverhandlungen, der für Brexiteer überraschend wichtig war, ist die Fischerei. Obwohl dieser Wirtschaftszweig nur 0,1 der Wirtschaftsleistung ausmacht, galt die Fischereipolitik der EU für Befürworter des Austritts als Symbol unerwünschter Intervention der EU Mitgliedsstaaten, und zeigt beispielhaft die unterschiedlichen Verhandlungspositionen.
Ohne fremdländische Schiffe in britischen Gewässern – wie vom Vereinigten Königreich gewünscht – würde mehr für inländische Fischer übrigbleiben. Allerdings, das ist die andere Seite der Medaille, würde bei gescheiterten Verhandlungen Großbritannien zwar mit mehr Ausbeute in der Fischerei rechnen dürfen, diese aber nicht mehr wie bisher problemlos in die EU exportieren können. Und auch für europäische Fischereibetriebe würde diese Entwicklung natürlich nachteilig sein: Fischereiflotten aus Frankreich und den Niederlanden werden nicht weiter wie bisher in britischen Gewässern fischen dürfen, was wahrscheinlich zu einigen Insolvenzen führen wird.
Wie genau die neuen Handelsbeziehungen aussehen und wie weitreichend die Folgen tatsächlich sein werden, bleibt abzuwarten. Die EU wird nicht direkt Vorschriften machen können, aber wenn notwendig mit Ausgleichszöllen eingreifen und regulieren können.
Brexit Folgen für Unternehmen und deutsche Wirtschaft
Für Deutschland ist Großbritannien immer noch ein wichtiger Handelspartner. Und auch wenn die Bedeutung des VK als Handelspartner abgenommen hat, könnte der Austritt aus dem Binnenmarkt deutliche Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft haben. Insbesondere Deutschland wird als Exportnation den negativen Folgen ausgesetzt sein, und Branchen wie Maschinenbau und Automobil werden dies vermutlich deutlich spüren.
Eine andere mögliche Folge des Brexits und den daraus folgenden Handelshemmnissen ist außerdem der Verlust von Arbeitsplätzen. In Deutschland hängen ungefähr 460.000 davon an Exporten nach Großbritannien – und davon mindestens 60.000 in der Automobilindustrie. Laut dem Institut für Wirtschaftsforschung in Halle wird sogar geschätzt, dass fast 180.000 davon gefährdet sein könnten.
Nicht alle möglichen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind jedoch negativ – der Arbeitsmarkt in Deutschland könnte durchaus auch vom Brexit profitieren. Da seit Beschluss des Brexits viele internationale Unternehmen ihren Sitz von Großbritannien in EU-Mitgliedsstaaten verlegten, könnten dadurch auch in Zukunft neue Arbeitsplätze entstehen. Und für den in Deutschland andauernden Fachkräftemangel ergibt sich auch eine Chance daraus: EU-Bürger, die in ihre Heimat zurückkehren möchten, werden diese Stellen besetzen können.
Auch mit der innereuropäischen Arbeitnehmerfreizügigkeit wird es beim Austritt zu Ende sein: Ab 2021 werden Arbeitnehmer aus der EU eine britische Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung brauchen – umgekehrt gilt dies natürlich auch. Das betrifft auch die Dienstleistungsfreiheit, was sich auf zukünftige Geschäftsbeziehungen auswirken wird. Je nach Handelsabkommen werden dann Personal- und Dienstleistungseinsätze im Ausland von Zollbehörden kontrolliert werden, was für Unternehmen mehr Zeitaufwand zur Vorbereitung der Papiere bedeuten wird. Vor allem Anfangs werden Schwierigkeiten im Lieferverkehr und an den Grenzen befürchtet, da es noch keine ausgereifte Infrastruktur zur Zollabwicklung gibt. Daher sind die aus dem Brexit entstehenden Herausforderungen vor allem für exportierende Unternehmen eine Aufgabe mit hoher Priorität.
Unternehmen mit britischen Kunden und Geschäftspartnern müssen ihre Verträge jetzt überprüfen und gegebenenfalls anpassen (z.B. Bestimmung des Gerichtsstands, geltendes Recht usw.). Bei Abschluss neuer Verträge muss an mögliche Folgen gedacht und entsprechende Klauseln aufgenommen werden, solange die in Zukunft geltenden Bestimmungen unklar sind.
Unternehmen ohne Exporterfahrung außerhalb des Binnenmarkts müssen sich bei Geschäftsbeziehungen zum VK spätestens jetzt mit Exportfragen beschäftigen, Mitarbeiter schulen, und alle nötigen Vorbereitungen treffen (EORI-Nummer beantragen, Einrichten eines ATLAS-Nutzerkontos für elektronische Zollanmeldungen, Ursprungszeugnisse usw.). Bei der IHK können Unternehmen einen Brexit-Check durchführen und prüfen, welche Fragen noch offen sind und was noch erledigt werden muss, damit die Handelsbeziehungen weiterhin reibungslos ablaufen.
Drohende Rezession für Großbritannien als mögliche Folge des Brexits
Auch (und vielleicht insbesondere) für die britische Wirtschaft können die Auswirkungen schwerwiegend sein, denn ca. 46 % der britischen Importe sind aus der EU, und ein beträchtlicher Anteil der Exporte ist ebenfalls an europäische Mitgliedstaaten. Also würden viele Produkte für britische Bürger durch Zölle teurer werden, und der Zugang zum europäischen Absatzmarkt wäre ebenfalls gehemmt. Und insbesondere ein no-deal Brexit kann zur Vertrauenserosion und der daraus folgenden Abwertung des britischen Pfunds führen. Auch das bedeutet, dass Konsum für Briten in Zukunft insgesamt teurer wird.
Unternehmen wurden von der Regierung schon eindrücklich darauf hingewiesen, dass sie sich auf die neuen Gegebenheiten außerhalb des Binnenmarkts einstellen müssen. In einem Schreiben an ungefähr 200.000 britische Unternehmen mit Handelsbeziehungen in der EU hieß es, dass „die Uhr für die Unternehmen tickt“, und es auf die Zusammenarbeit aller ankommt, damit Großbritannien die Möglichkeiten einer „unabhängigen Handelsnation mit Kontrolle über ihre eigenen Grenzen, Hoheitsgewässer und Gesetze“ nutzen kann.
Die immer wieder verschobene Deadline eines Abkommens und die daraus resultierende Verunsicherung über Austrittsbestimmungen führte dazu, dass viele Unternehmen nicht ausreichend auf die neuen Handelsanforderungen vorbereitet sind. Und was natürlich erschwerend dazukam, ist die Pandemie, die Einschränkungen und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft 2020.
Da das VK in Zukunft nicht die gleichen Vorteile wie EU-Mitglieder haben wird, wird der Warenverkehr mit Beschränkungen und bürokratischen Vorschriften deutlich ausgebremst werden. Nicht mehr freier Zugang zum Binnenmarkt, weniger Fachkräfteauswahl, weniger Investitionen in die britische Wirtschaft könnten das Land in eine Rezession treiben. Vor allem ein ungeordneter Brexit aus der europäischen Handelszone könnte 2021 zu mehr Insolvenzen führen und der britischen Wirtschaft möglicherweise einen etwa dreimal höheren finanziellen Schaden anrichten als die Corona-Krise.
Brexit Folgen für deutsche Unternehmen: Jetzt auf veränderte Handelsbeziehungen vorbereiten!
Könnte Ihr Unternehmen von den Folgen des Brexits betroffen sein? Vor allem, wenn es zu einem harten Brexit kommt, könnte es einige praktische Schwierigkeiten geben. Aber auch bei einem geregelten Austritt müssen Sie sich darauf vorbereiten, alle gesetzlichen Bestimmungen zu erfüllen und sich durch neue Vertragsklauseln absichern.
Auf jeden Fall werden Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen neue Vorgehensweisen verlangen, denn auch wenn Großbritannien vermutlich trotzdem ein bedeutender Handelspartner bleiben wird, müssen sich Unternehmen auf Handelsbeziehungen wie zu einem Drittland vorbereiten.