Klimapolitik und Auswirkungen auf die Wirtschaft
Warum ein nachhaltigerer Wiederaufbau so wichtig ist
Redaktion |
„Um uns besser gegen künftige Krisen zu wappnen, brauchen wir einen klimafreundlichen Neustart der Wirtschaft“, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze auf dem 11. Petersberger Klimadialog im April 2020.
Covid hat die Rangordnung der Volkswirtschaften in der Klimapolitik beeinflusst. In den letzten Jahren waren – auch durch Greta Thunberg und die Fridays-for-Future-Bewegung – Klimapolitik und ein möglichst nachhaltiges Wirtschaftswachstum wichtige Themen des öffentlichen Diskurses. Doch während der Pandemie blieben diese Themen in den Medien mehr im Hintergrund, da zunächst die akute Krise gemeistert werden musste. Da aber ein Wiederaufbau der Wirtschaft bzw. Maßnahmen zur Schadensbegrenzung bevorstehen, stellt sich jetzt dringend die Frage, wie es weitergeht – und wie sich die zukünftige Klimapolitik auf die Wirtschaft auswirken kann.
Meinungen darüber, was Ursachen der Erderwärmung und welche Maßnahmen zum Umweltschutz notwendig sind, gehen auch unter Experten auseinander. Sind radikales Umdenken in Konsumverhalten und Verzicht auf beständiges Wirtschaftswachstum überhaupt realistisch und notwendig, um das Klima zu schützen?
Konsumentenverhalten & Klimapolitik
Bevor es um Aufgaben und Möglichkeiten der Wirtschaft im Klimaschutz geht, sind zunächst einige Fakten über Konsumentenverhalten wichtig.
Der Konsum in Privathaushalten ist in Deutschland für mehr als ein Viertel der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Und laut Euler Hermes verursachen europäische Haushalte insgesamt soviel Kohlendioxidemissionen wie die Industrie. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Bereitschaft der Konsumenten auf Verhaltensänderung und Verzicht realistisch einzuschätzen. Denn objektiv betrachtet – ist eine deutliche Änderung im Konsumverhalten wirklich zu erwarten?
Umfrageergebnisse der Allianz zeigen, dass ein großer Teil der Konsumenten (noch) nicht bereit sind, für klimafreundlicheren Konsum auch mehr zu bezahlen. Auch wenn bei vielen die Einsicht da ist, dass die Umwelt geschont werden muss und dass sich in Zukunft deshalb einiges ändern sollte: Wenn es darum geht, für klimaschonende Lebensmittel, Kleidung und Mobilität mehr zu bezahlen, zeigt sich nur ein kleiner Teil der Bevölkerung willens, auch mehr Geld dafür auszugeben – die meisten würden entweder nichts oder maximal 10 % mehr dafür bezahlen.
Das bedeutet im Moment, dass deutliche Preiserhöhungen – wie nicht anders zu erwarten war – mit wenig Begeisterung aufgenommen würden. Wie oft gibt es eine Diskrepanz zwischen dem, was allgemein als sinnvoll und wichtig angesehen wird, und der eigenen Bereitschaft, dafür auch Konsequenzen zu tragen: Nämlich zu verzichten, bisherige Lebensgewohnheiten zu ändern und sich einzuschränken.
Was bedeutet das nun für Klimapolitik und Wirtschaft?
Mögliche Auswirkungen von Erderwärmung und Klimapolitik auf Wirtschaft
Um die Erderwärmung – was auch immer ihre Ursachen sind – abzubremsen, sind Bemühungen einzelner Staaten sinnlos. Daher wurde im Pariser Klimaabkommen 2015 beschlossen, an welchen Zielen gemeinsam gearbeitet werden soll, um dies zu ermöglichen. Auch Deutschland hat dieses Klimaschutzabkommen unterzeichnet. Um die darin festgelegten Ziele zu erreichen, muss der Ausstoß von CO2 weltweit drastisch reduziert werden.
Ansonsten könnte die Weltwirtschaft als Folge der globalen Erderwärmung bis zu 20 Prozent ihrer Leistung verlieren. Das kann z. B. passieren, wenn wegen extremer Klimabedingungen Ernten ausfallen oder es vermehrt zu Unwettern und Naturkatastrophen kommt. Das würde schwerwiegende Folgen für Bauern, die Tourismusbranche (z. B. in Skigebieten) und für Rückversicherungen haben. Und allein in Deutschland würden laut DIW die durch den Klimawandel verursachten Kosten bis zum Jahr 2050 geschätzt 800 Mrd. Euro betragen, was zu gesamtwirtschaftlichen Wachstumseinbußen führen wird.
Das stellt die Weltwirtschaft vor immensen Herausforderungen. Denn für eine wirtschaftsverträgliche Klimapolitik sind hohe Investitionen notwendig – und nach der Krise aufgrund der Corona Pandemie ist zunächst finanzielle Schadensbegrenzung angesagt. Und realistisch gesehen werden für einige Staaten nicht Klimapolitik und Umweltschutz, sondern der Wiederaufbau ihrer Wirtschaft Vorrang haben.
Die Meinungen darüber, ob Wirtschaftswachstum überhaupt unendlich sein kann (oder darf, angesichts der Erderwärmung), gehen auseinander. Eine Anforderung an die Wirtschaft muss jetzt sein, Wachstum auf ökologisch sinnvolle Art möglich zu machen. Denn es ist nicht zu erwarten, dass die meisten anderen Volkswirtschaften in diesem Bereich zurückstecken werden. Wenn Deutschland in klimafreundlichen Technologien nicht innovativ ist, könnte dessen in Zukunft schrumpfende Wirtschaft andere Staaten abschrecken. Die dann lieber konventionellem Wirtschaftswachstum Priorität einräumen werden – im Zweifelsfall auch auf Kosten der Umwelt.
Klimapolitik oder Wirtschaftswachstum?
Unter Berücksichtigung der möglichen Gefahren und bevorstehenden finanziellen Schäden durch extreme Wetterverhältnisse kann es kein stabiles und sicheres Wirtschaftswachstum ohne Klimaschutz geben. Ansonsten würde es in Zukunft immer wieder zu Milliardenverlusten durch Naturkatastrophen kommen.
Die Entscheidung darüber kann nicht nur Konsumenten überlassen werden. Denn wie weiter oben im Artikel erwähnt, werden vergleichsweise wenige freiwillig bereit sein, deutlich mehr für umweltverträglichere Produkte auszugeben und sich in ihrem Konsumverhalten deutlich einzuschränken.
Um die Umweltziele des Pariser Abkommens zu erreichen, wären jetzt hohe Investitionen wichtig – z. B. in Gebäudedämmung, Infrastruktur und klimaschonendere Energiegewinnung.
Doch die Corona Pandemie und die Auswirkungen auf die Wirtschaft könnten die Klimapolitik beeinflussen. Es geht jetzt darum, die Folgen der Krise zu mildern und gleichzeitig die Wirtschaft nach diesem Einschnitt nachhaltig aufzubauen. Fortschritte, die im Klimaschutz gemacht wurden, könnten jetzt verloren gehen, wenn Aufbauprogramme eher in umweltschädigenden Wirtschaftszweigen statt in neuen Technologien geplant werden.
Im 11. Petersberger Klimadialog wurde darüber gesprochen, dass der jetzige Zeitpunkt eine Chance ist, um sich für einen nachhaltigen Aufbau der Wirtschaft zu bemühen. Durch das virusbedingt erzwungene Homeoffice z. B. wurde bisher viel CO2 Ausstoß eingespart, da die Anfahrt ins Büro bei vielen Menschen wegfällt. Dadurch wurde für 2020 das Klimaziel Deutschlands erreicht und sogar übererfüllt – allerdings nur einmalig. Für eine dauerhafte Begrenzung der Emissionen dürfen solche Änderungen nicht temporär sein.
Die evtl. bevorstehende Pleitewelle und möglicherweise hohe Arbeitslosigkeit stellt Entscheidungsträger vor ein Dilemma – können hier schneller wirksame Lösungen helfen, auch wenn Klimaziele dadurch nicht eingehalten werden können? Sollen in der Automobilbranche konventionelle Antriebe gefördert werden, oder muss der Fokus jetzt auf neue, effiziente und klimaneutralere Technologien liegen? Denn Verkehr verursacht Schätzungen zufolge immerhin 20-25 % des Treibgasausstoßes.
Die momentane Situation ist eine Chance, mit Klimapolitik neue Arbeitsplätze zu schaffen. Es liegt auf der Hand, dass viel Innovation und ehrgeizige Bestrebungen wichtig sind, um Klimaziele zu erreichen und nach der Pandemie die Wirtschaft wieder so aufzubauen, dass die bisherigen Errungenschaften des Klimaschutzes nicht ungültig gemacht werden. An einer modernen und ressourcenschonenden Wirtschaft führt deshalb kein Weg vorbei.